Zeichen setzen




Betritt man heute das Innere der Grabeskirche in Jerusalem, hat man sofort den Eindruck, eine ganz eigene Welt zu betreten. Es ist dunkel, es riecht nach Weihrauch, altem Holz und Menschen, man hört leise gesprochene und gemurmelte Gebete, Geistliche verschiedener Konfessionen ziehen in Prozessionen durch den Raum. Es ist so gar nicht ruhig in der Grabeskirche, sondern es ist laut und manchmal turbulent: Man steht in Warteschlangen vor der Grabeskapelle, und jede Besucherin, jeder Besucher möchte nur einmal wenigstens kurz den Stein berühren, auf dem der Leichnam Jesu gesalbt worden sein soll.

Ein bisschen handfester soll es sein, dieses Mal bei Ü30, nicht so abstrakt und lehrbuchhaft, so wissenschaftlich und museal. Das haben wir uns vorgenommen, und so begrüßen wir Sie und euch freundlich zum Ü30-Gottesdienst mit dem Thema ?Zeichen setzen?.

Romano Guardini, einer der großen Vordenker der Liturgischen Bewegung und Erneuerung Anfang des 20. Jahrhunderts, schreibt: Der Weg zu liturgischem Leben geht nicht durch bloße Belehrung, sondern er geht vor allem durch das Tun. Etwas wirklich ?tun? ist mehr, als es bloß ?üben?, um es richtig zu können! Tun ist etwas Elementares, in dem der ganze Mensch stehen muss, ein lebendiges Vollziehen muss es sein, ein lebendiges Erfahren, Auffassen, Anfassen, Schmecken und Schauen.

Das ist genau das Thema unseres Gottesdienstes. Indem wir sehen, fühlen, schmecken, riechen und hören, erfahren wir unsere Umwelt; wir kommunizieren, was uns bewegt und wie wir die Welt verstehen. Jedoch bleibt es nicht beim Sehen, Fühlen, Schmecken, Riechen und Hören, sondern es kommt eine ganzheitliche Deutung in den Blick: Wir fragen, was dahintersteckt und suchen nach Erklärungen, warum eine Handlung sinnvoll ist. So deuten wir unsere sinnlichen Eindrücke, Handlungen und Vollzüge und finden in ihnen einen Sinn als Symbol und Sakrament.

Wir sind heute von draußen in die Kirche eingezogen, haben die Glocken und die Musik gehört, die Kunstinstallation gesehen und uns hier zum Gottesdienst versammelt. Vielleicht wird es nicht so lebhaft wie in der Grabeskirche von Jerusalem, aber vielleicht können wir ein Stück weit das erfahren, was uns jetzt wichtig ist: Wir feiern den Gottesdienst mit vielen Riten und Handlungen, die uns vertraut sind und vielleicht auch viel bedeuten. Heute wollen wir uns heute Zeit nehmen, diese Riten und Handlungen bewusst wahrzunehmen, neu zu sehen, zu fühlen, zu schmecken, zu riechen und zu hören. Wir sind eingeladen, sie neu zu deuten und als immer neu heilbringend zu erfahren.








Stein-Fragen

 


Weiß ich um Steine, die mich in meinem Leben belasten?

Baue ich Steine auf, die den Weg zum anderen versperren?

Lege ich anderen Steine in den Weg?

Bin ich ein Stein des Anstoßes für andere?

Baue ich eine Steinmauer um mich auf, um mich vor der Welt zu verbarrikadieren?

Werfe ich mit Steinen auf andersdenkende Menschen?

Helfe ich mit, Steine und Hindernisse aus dem Weg zu räumen?

Biete ich einen Stein als ?Ruheplatz? an, wenn Menschen eine Pause brauchen?



Evangelium: Die Heilung eines Blinden (Johannes 9)



Unterwegs sah Jesus einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst? Ober haben seine Eltern gesündigt, sodass er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern das Wirken Gottes soll an ihm offenbar werden. Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr etwas tun kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt. Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Schiloach heißt übersetzt: Der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen. Die Nachbarn und andere, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte? Einige sagten: Er ist es. Andere meinten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich. Er selbst aber sagte: Ich bin es. Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden? Er antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich damit meine Augen und sagte zu mir: Geh zum Schiloach und wasch dich! Ich ging hin, wusch mich und konnte wieder sehen. Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es nicht.

Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte. Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Der Mann antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen; dann wusch ich mich und jetzt kann ich sehen. Einige der Pharisäer meinten: Dieser Mensch kann nicht von Gott sein, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein Sünder solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen. Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann antwortete: Er ist ein Prophet. Die Juden aber wollten nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden war. Daher riefen sie die Eltern des Geheilten und fragten sie: Ist das euer Sohn, von dem ihr behauptet, dass er blind geboren wurde? Wie kommt es, dass er jetzt sehen kann? Seine Eltern antworteten: Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde. Wie es kommt, dass er jetzt sehen kann, das wissen wir nicht. Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht. Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen. Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten; denn die Juden hatten schon beschlossen, jeden, der ihn als den Messias bekenne, aus der Synagoge auszustoßen. Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt doch ihn selbst. Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war, zum zweiten Mal und sagten zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist. Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehen kann. Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht? Wie hat er deine Augen geöffnet? Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt, aber ihr habt nicht gehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt auch ihr seine Jünger werden? Da beschimpften sie ihn: Du bist ein Jünger dieses Menschen; wir aber sind Jünger des Mose. Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat; aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt. Der Mann antwortete ihnen: Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt; dabei hat er doch meine Augen geöffnet. Wir wissen, dass Gott einen Sünder nicht erhört; wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er. Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat. Wenn dieser Mensch nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können. Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus.

Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn? Der Mann antwortete: Wer ist das, Herr? (Sag es mir,) damit ich an ihn glaube. Jesus sagte zu ihm: Du siehst ihn vor dir; er, der mit dir redet, ist es. Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder. Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die Blinden sehend und die Sehenden blind werden. Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies. Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind? Jesus antwortete ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.


 





Segensbitte



Der Herr segne uns.

Er erfülle unsere Füße mit Tanz und unsere Arme mit Kraft.

Er erfülle unser Herz mit Zärtlichkeit und unsere Augen mit Lachen.

Er erfülle unsere Ohren mit Musik und unsere Nase mit Wohlgerüchen.

Er erfülle unseren Mund mit Jubel und unser Herz mit Freude.

Er schenke uns immer neu die Gnade der Wüste: Stille, frisches Wasser und neue Hoffnung.

Er gebe uns allen immer neu die Kraft, der Hoffnung ein Gesicht zu geben.

So segne uns der Herr, der (?) Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.